Wildes Hefewasser

Das Hefewasser ist Projekt aus der Not heraus. Die Gegenwart wird von Corona beherrscht. Die Menschen hamstern nicht nur Klopapier. Auch Hefe ist nirgendwo aufzutreiben. Ich versteh das nicht :( Andererseits bin ich ein grenzenlos optimistischer Typ, versuche stets, aus allem das beste zu machen und nutze die Gelegenheit, der Industriehefe Lebewohl zu sagen. Der Mangel an Hefe hat somit für mich tatsächlich etwas Gutes, ich sollte dankbar sein.

Fazit nach neun Tagen und zweimal Backen:
Experiment Hefewasser ist zu 100 Prozent gelungen.


So entsteht Hefewasser:

Montag
1-Liter-Milchflasche
Gäraufsatz (optional)
500 g lauwarmes Wasser
1 EL Zucker
2 getrocknete Datteln (nicht konserviert, nicht geschwefelt!!)

Milchflasche gründlich reinigen. Wasser, Zucker und Datteln einfüllen. Deckel drauf. Kräftig schütteln, bis sich der Zucker vollständig gelöst hat. Warm stellen, in meinem Fall über der Heizung. Günstig sind 25-35 °C

Ich bin so furchtbar neugierig, deshalb gucke ich immer mal nach und schüttle. Am Nachmittag tausche ich den Deckel gegen den Gäraufsatz. Ich habe doch zuviel Respekt vor dem entstehenden Druck und befürchte, dass mir alles um die Ohren fliegen könnte. Inzwischen verwende ich Klarsichtfolie und ein Gummi zum Verschließen der Flasche, das hat sich bewährt.

Abwarten - schütteln warmhalten
Jeden Tag mindestens zweimal kräftig schütteln. Wer keinen Gäraufsatz hat - bitte unbedingt vor und nach dem Schütteln vorsichtig! entlüften. Den Ansatz immer schön warm halten.

Freitag
350 g lauwarmes Wasser
20 g Zucker (ca. 1 EL)
5 g Salz (ca. 1 TL)
1 getrocknete Dattel (nicht konserviert, nicht geschwefelt!!)

In meiner Milchflasche schäumt und brodelt es munter vor sich hin. Die Datteln schwimmen nun oben. Ich bin begeistert und die Ungeduld in Person. Kräftig schütteln, dann gieße ich 100 g Hefewasser ab und fülle Wasser, Zucker, Salz und die Dattel zum vorhandenen Ansatz in die Flasche. Es ist immer dasselbe. Schütteln, der Zucker muss sich ganz auflösen. Gäraufsatz drauf. Warm stellen. Warten. Immer mal schütteln. Gegebenenfalls vorsichtig entlüften.



Mein erster Vorteig aus Hefewasser
Heute am Freitag: Die 100 g Hefewasser will ich gleich mal zum Backen nutzen, versuchsweise, ich denke da an Brötchen. So mische ich morgens das Hefewasser mit 100 g Dinkelmehl. Abdecken. Warm stellen. Juhu. Schon nach einer Stunde tut sich was, der Teig beginnt ganz langsam zu brodeln :) Am Abend nach 10 Stunden sieht der Teig so aus:



Der ist so was von aktiv - also viel zu schade für einfache Brötchen. Wenn schon Experiment, dann richtig. Ich mache damit Hvitløksknuter = Knoblauch-Kräuter-Knoten-Brötchen. Nach dem gleichen Grundrezept nur mit Zimt statt Knoblauch werden es perfekt knusprig-weiche Zimtknoten.

Montag
Ich nehme 100 ml zum Backen für Rosinboller - ekstra luftig ab und stelle das restliche Hefewasser in den Kühlschrank, und zwar in die Tür, damit es immer mal bewegt wird. Da das Gärröhrchen nicht hineinpasst, verschließe ich die Flasche mit Klarsichtfolie und einem kleinen Gummi. Zuschrauben traue ich mich nicht, da habe ich zu viel Respekt vor dem Druck, der die Flasche zum Platzen bringen könnte.

Hefewasser auffrischen

Das Hefewasser bleibt im Kühlschrank mehrere Wochen fit und aktiv. Wenn vom Hefewasser nur noch 3 Finger hoch in der Flasche sind, ist es Zeit zum Auffrischen. Das kann man filtern. Ich filtere es nicht. Ich lasse den Rest aktives Hefewasser wie es ist, die halbzerfallene Dattel bleibt drin.

Zum Auffrischen gebe ich eine Dattel, 1 EL Zucker und 1/2 TL Salz in die Flasche zum ungefilterten Hefewasser-Rest und gieße mit kaltem Wasser auf, bis die Liter-Flasche fast voll ist. Zudrehen und kräftig schütteln. Wegen der "Explosionsgefahr" entferne ich den Deckel sicherheitshalber, lege ein Stück Klarsichtfolie auf die Öffnung und mache einen Gummi drum.

Dann lasse ich das Hefewasser einen Tag bei Zimmertemperatur stehen, ab und zu schütteln. Danach gehts bis zur Verwendung wieder ab in den Kühlschrank, ab und zu schütteln.

Für alle, die es exakt mögen:
200 g aktives Hefewasser (gefiltert oder ungefiltert)
900 g Wasser
35 g Zucker
3,5 g Salz

Wie backe ich mit Hefewasser?

Zum Backen filtere ich die benötigte Menge Hefewasser durch ein Teesieb. Man kann es aber auch ungefiltert verwenden.

Aus 100 g Mehl (Weizen oder Dinkel) und 100 g Hefewasser einen Vorteig zubereiten. Diesen abgedeckt 12-16 Stunden bei Zimmertemperatur reifen lassen, damit sich die Hefe schon mal kräftig vermehrt.

Diese Mengen dann in das gewohnte Rezept im Hauptteig rein- bzw. rausrechnen. Falls im Hauptteig noch mehr Wasser verwendet wird, kann dieses ebenfalls duch Hefewasser ersetzt werden. Die Reifezeiten sind länger als bei Industriehefe, dass muss man je nach Rezept ausprobieren. Ich lasse den Hauptteig gern über Nacht bei Zimmertemperatur oder im Kühlschrank reifen.

Meine ersten Rezepte mit Hefewasser: